Risiko von Reaktionsbeeinträchtigung durch Haschischkonsum ist idR ab 1,0 ng/ml der Fall

VG Bremen, Beschluss vom 09.12.2011 – 5 V 1740/11

An der erforderlichen Trennung von gelegentlichem Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt es immer dann, wenn der Kraftfahrer objektiv unter Einfluss einer Cannabiskonzentration am Straßenverkehr teilgenommen hat, bei der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen davon ausgegangen werden muss, dass sich das Risiko von Beeinträchtigungen, die negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit haben, signifikant erhöht hat. Das ist nach dem derzeitigen medizinischen Kenntnisstand ab einer THC-Konzentration von exakt 1,0 ng/ml der Fall.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird zum Zwecke der Kostenberechnung auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1 Der Antragsteller wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.

2 Der Antragsteller ist Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klasse B. Am 02. August 2011 wurde der Antragsteller im Rahmen einer Verkehrskontrolle durch Beamte der Schutzpolizei Bremerhaven als Führer eines Kraftfahrzeuges kontrolliert. Eine aufgrund des Verdachts der Drogeneinnahme angeordnete Blutprobe ergab laut chemisch-toxikologischer Untersuchung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf vom 19. August 2011 einen Wert von 1,0 ng/ml THC und 11 ng/ml THC-COOH. Zudem räumte der Antragsteller der Polizei gegenüber ein, gelegentlich Cannabis zu konsumieren.

3 Nach Anhörung des Antragstellers mit Schreiben vom 29. August 2011 entzog der Antragsgegner dem Antragsteller mit Bescheid vom 19. Oktober 2011 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis, ordnete die sofortige Abgabe des Führerscheins an und drohte mit einem Zwangsgeld zu € 260, sollte der Verfügung nicht Folge geleistet werden. Zur Begründung führte sie unter Bezugnahme auf die Geschehnisse vom 02. August 2011 aus, der Antragsteller sei als gelegentlicher Konsument von Cannabis einzustufen. Angesichts des nachgewiesenen THC-Wertes von 1,0 ng/ml fehle es auch an dem Vermögen, zwischen dem Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeuges zu trennen. Der gelegentliche Cannabiskonsum und das mangelnde Trennungsvermögen begründeten einen ZA. nach Anlage 4, Ziffer 9.2.2. der Fahrerlaubnisverordnung (FeV), weshalb die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen entfalle. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung folge aus der Tatsache, dass nicht auszuschließen sei, dass der Antragsteller als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignete Person während des schwebenden Verfahrens den Straßenverkehr gefährden werde. So habe der Antragsteller bereits am 02. August 2011 ein Kraftfahrzeug geführt, obgleich er hierzu aufgrund vorherigen Drogenkonsums weder körperlich noch geistig in der Lage gewesen sei. Hierbei sei auch die Langzeitwirkung der eingenommenen Drogen zu berücksichtigen. Die Gefahr, dass der Antragsteller nach Drogenkonsum und der damit verbundenen Herabsetzung der körperlich-geistigen (psychischen) Leistungsfähigkeit sowie der Herabsetzung seiner Fähigkeit zu verantwortlichen Entscheidungen als Führer eines Kraftfahrzeuges im öffentlichen Straßenverkehr andere Verkehrsteilnehmer und auch sich selbst an Leib und Leben erheblich gefährde, zwinge zu einem sofortigen Ausschluss aus der Verkehrsgemeinschaft. Die Vorlage des Führerscheins sei notwendig, um ein Weiterfahren auszuschließen, falls der Führerschein lediglich durch Sichtkontrolle von den einschreitenden Beamten kontrolliert werde und der Antragsteller fälschlich den Eindruck erwecke, die Fahrerlaubnis sei gar nicht entzogen worden. Die privaten Interessen des Antragstellers müssten gegenüber dem öffentlichen Interesse an einem Ausschluss aus der Verkehrsgemeinschaft zurückstehen.

4 Am 14. November 2011 hat der Antragsteller Klage erhoben und die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Zur Begründung macht er geltend, das Ergebnis der Blutuntersuchung lasse nicht auf eine mangelnde Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen. Der festgestellte THC-Wert von 1,0 ng/ml lasse nicht den Rückschluss auf eine Fahrt unter Wirkung des Rauschmittels zu. Dies sei erst bei THC-Werten von über 1,0 ng/ml möglich. Darüber hinaus fehle es auch an einer Begründung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 3 VwGO.

5 Der Antragsteller beantragt,

6 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 19.10.2011 wiederherzustellen.

7 Der Antragsgegner beantragt,

8 den Antrag abzulehnen.

9 Er verweist darauf, eine Einschränkung der Fahrtüchtigkeit sei in der Rechtsprechung bereits bei THC-Werten ab 1,0 ng/ml anerkannt. Auch sei gemäß dem Drogenerlass für das Land Bremen ab einem THC-Wert von 1,0 ng/ml die Fahrerlaubnis zu entziehen.

II.

10 Der gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 2. Alt. statthafte Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.

11 II.1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Sie genügt insbesondere den Anforderungen, die nach § 80 Abs. 3 VwGO an die Begründung einer solchen Anordnung zu stellen sind.

12 Nach § 80 Abs. 3 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen. Zweck des Begründungserfordernisses des § 80 Abs. 3 VwGO ist es, die Behörde zu einer sorgfältigen Prüfung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts anzuhalten. Außerdem sollen dem Betroffenen die für die Sofortvollzugsanordnung maßgeblichen Gründe zur Kenntnis gebracht werden, so dass ihm eine Verteidigung seiner Rechte möglich ist. Ferner soll die Begründung der Sofortvollzugsanordnung die Grundlage für eine gerichtliche Kontrolle der Anordnung bilden (vgl. VGH Mannheim, B. v. 24.06.2002 – 10 S 985/02 – juris). Dementsprechend muss aus der Begründung hinreichend nachvollziehbar hervorgehen, dass und aus welchen besonderen Gründen die Behörde im konkreten Fall dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt und aus welchen im dringenden öffentlichen Interesse liegenden Gründen sie es für gerechtfertigt oder geboten hält, den durch die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ansonsten eintretenden vorläufigen Rechtsschutz des Betroffenen einstweilen zurückzustellen. Demgemäß genügen pauschale und nichtssagende formelhafte Wendungen dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht.

13 Zu beachten ist jedoch, dass eine den obigen Anforderungen entsprechende Begründung durchaus knapp gehalten werden kann. Möglich ist auch, insbesondere im Straßenverkehrsrecht, die Verwendung von standardisierten Begründungselementen (vgl. Hk-VerwR/Bostedt, 2. Aufl. 2010, § 80 Rn. 81, m.w.N.). Bei der Entziehung von Fahrerlaubnissen wegen Drogenmissbrauch und –abhängigkeit liegen regelmäßig gleichartige Tatbestände vor, woraus eine Vergleichbarkeit der zu beurteilenden Interessenkollisionen folgt. Dies ermöglicht ein typisierendes Vorgehen. Voraussetzung ist, dass die im Rahmen des typisierenden Vorgehens verwendeten Begründungselemente aus sich heraus verständlich sind und einen konkreten Bezug zum Einzelfall aufweisen (vgl. dazu OVG Bremen, B. v. 07.04.1999 – 1 B 25/99 – juris); geboten ist also eine Auseinandersetzung mit dem Einzelfall dahingehend, ob dieser sich in das typisierende Vorgehen einfügt (vgl. dazu VGH München, B. v. 04.01.2006 – 11 CS 05.1878 – juris). Selbst eine unter Verwendung von standardisierten Begründungselementen erfolgende Anordnung der sofortigen Vollziehung für die Masse der Fahrerlaubnisentziehungen begründet unter Beachtung der obigen Voraussetzungen keine Bedenken (vgl. OVG Hamburg, B. v. 15.12.2005 – 3 Bs 214/05 – juris).

14 Gemessen an diesen Voraussetzungen wird die Begründung des Antragsgegners zur Anordnung der sofortigen Vollziehung den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO gerecht. Der Antragsgegner hat in seinem Bescheid vom 19. Oktober 2011 ausgeführt, ein überwiegendes öffentliches Interesse rechtfertige die Anordnung der sofortigen Vollziehung. Es stünde zu befürchten, dass der Antragsteller wie bereits unter dem 02. August 2011 geschehen als Fahrzeugführer gerade während des schwebenden Verfahrens den Straßenverkehr gefährden werde. Aufgrund des Drogenkonsums sei der Antragsteller weder körperlich noch geistig in der Lage, den Anforderungen im Straßenverkehr gerecht zu werden. Allein die Gefahr, dass der Antragsteller trotz seiner noch bestehenden Abhängigkeit von Betäubungsmitteln ein Kraftfahrzeug in Betrieb nehmen und als Führer eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr andere Verkehrsteilnehmer und auch sich selbst an Leib und Leben gefährde, zwinge zu einem sofortigen Ausschluss aus der Verkehrsgemeinschaft. Die privaten Interessen der Antragsteller müssten hinter dem öffentlichen Interesse zurückstehen. Hiermit hat der Antragsgegner deutlich gemacht, dass die Antragsteller ohne die Anordnung der sofortigen Vollziehung vor Unanfechtbarkeit der Verfügung vom 19. Oktober 2011 das besonders hochwertige Rechtsgut der Verkehrssicherheit (mit den dahinterstehenden Rechtsgütern des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit) gefährden würde. Die genannten Gründe sind schlüssig und beziehen sich auf den konkreten Einzelfall – die unter Einfluss von Cannabinoiden durchgeführte Fahrt vom 02. August 2011. Dies zeigt, dass der Zweck des § 80 Abs. 3 VwGO, die Verwaltung dazu anzuhalten, die Notwendigkeit einer sofortigen Vollziehung sorgfältig zu prüfen, hier erreicht worden ist. Die Begründung genügt darüber hinaus den weiteren Zwecken der Vorschrift, den betroffenen Bürger in die Lage zu versetzen, seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels abzuschätzen sowie eine gerichtliche Kontrolle zu ermöglichen.

15 II.2. In der Sache überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung das private Interesse des Antragstellers, von der sofortigen Vollziehung einstweilen bis zu einer Klärung der Rechtmäßigkeit der Verfügung im Hauptsacheverfahren verschont zu bleiben.

16 Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes angeordnet worden ist, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine eigene, originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheides und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Im Rahmen dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs maßgeblich zu berücksichtigen. Bleibt dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, wird die Abwägung in der Regel zum Nachteil des Betroffenen ausfallen, da dann das von der Behörde geltend gemachte besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung regelmäßig überwiegt.

17 Im vorliegenden Fall ergibt die im Eilverfahren allein erforderliche summarische Überprüfung, dass dem Antragsteller die Fahrerlaubnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Recht entzogen worden ist; zudem besteht auch ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse, welches über das Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt.

18 Der angegriffene Bescheid ist nicht zu beanstanden:

19 Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV. Danach ist demjenigen die Fahrerlaubnis zu entziehen, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann, wenn eine Erkrankung oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen. An der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen fehlt es nach Ziffer 9.2.2 der Anlage 4 der FeV, wenn Cannabis gelegentlich konsumiert wird und Konsum und Fahren nicht voneinander getrennt werden. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

20 a) Der Antragsteller nimmt „gelegentlich“ Cannabis zu sich. Dies hat er der Polizei gegenüber eingeräumt, wie aus den dem Gericht vorliegenden Verwaltungsakten folgt. Für einen solchen Konsum spricht auch der bei ihm festgestellte THC-COOH-Wert von 11 ng/ml. Insoweit erhebt der Antragsteller auch keine Einwände, sondern macht vielmehr geltend, der Antragsgegner gehe angesichts der ermittelten Laborwerte zu Unrecht davon aus, er könne den Konsum und das Führen von Kraftfahrzeugen nicht trennen.

21 b) Der Antragsteller kann auch den Konsum von Cannabis und das Führen eines Kraftfahrzeuges nicht voneinander trennen. An einer solchen Trennung fehlt es immer dann, wenn der Kraftfahrer objektiv unter dem Einfluss einer Cannabiskonzentration am Straßenverkehr teilgenommen hat, bei der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen davon ausgegangen werden muss, dass sich das Risiko von Beeinträchtigungen, die negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit haben, signifikant erhöht hat. Diese Schwelle ist nach ständiger Rechtsprechung der Kammer bereits überschritten, wenn eine THC-Konzentration erreicht wird, die einen Wert von 1,0 ng/ml überschreitet (vgl. nur VG Bremen, B. v. 15.06.2011 – 5 V 531/11 – juris). In Fortführung dieser Rechtsprechung ist ergänzend auszuführen, dass auch der THC-Wert von (exakt) 1,0 ng/ml bereits das Vermögen zur Trennung von Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs entfallen lässt. Das „Überschreiten“ einer THC-Konzentration von 1,0 ng/ml ist folglich als THC-Konzentration „ab“ 1,0 ng/ml zu verstehen.

22 Die Kammer schließt sich insoweit der Rechtsprechung des OVG für das Land Schleswig-Holstein (OVG Schleswig, U. v. 17.02.2009 – 4 LB 61/08, Rn. 35 f. – juris), des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (OVG Lüneburg, B. v. 11.09.2008 – 12 ME 227/08, Rn. 6 – juris) und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH Mannheim, B. v. 27.03.2006 – 10 S 2519/05, Rn. 6 f. – juris; U. v. 13.12.2007 – 10 S 1272/07, Rn. 24 ff. – juris) an (so schon VG Osnabrück, B. v. 15.02.2011 – 6 B 95/10 – juris). In der strafgerichtlichen Rechtsprechung zu § 24a StGB hat sich entsprechend einer Empfehlung der sog. „Grenzwertkommission“ ebenfalls der Grenzwert von 1 ng/ml THC im Blutserum durchgesetzt (vgl. OLG Schleswig, B. v. 18.09.2006 – 1 Ss OWi 119/06 – juris). Die bremischen Straßenverkehrsbehörden sind gemäß Ziffer 6.1., Lit. a) des Erlasses für das Land Bremen des Senators für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa vom 04. Mai 2011 (Erlass FeV 110503) gehalten, bei einem Nachweis von mindestens 1 ng/ml THC bei der Fahrt von Ungeeignetheit auszugehen; dem entspricht der Bescheid des Antragsgegners vom 19. Oktober 2011.

23 Das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen hat in der angeführten Entscheidung im Anschluss an die Ausführungen des Baden-Württembergischen Verwaltungsgerichtshofs im Urteil vom 13. Dezember 2007 ausgeführt, dass bereits bei einer THC-Konzentration „von über 1 ng/ml“ eine signifikante Beeinträchtigung der fahreignungsrelevanten Eigenschaften des Fahrzeugführers auch im Lichte neuerer wissenschaftlicher Untersuchungen gegeben sei und bei einer Fahrt mit einer derartigen THC-Konzentration das fehlende Trennungsvermögen im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV mit der Folge belegt werde, dass die Fahrerlaubnis bei einer nachgewiesenen zumindest gelegentlichen Einnahme von Cannabis zwingend zu entziehen sei. Auch die in Bezug genommene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg spricht davon, dass bei einer THC-Konzentration „von über 1 ng/ml“ eine signifikante Beeinträchtigung der fahreignungsrelevanten Eigenschaften des Fahrzeugführers gegeben ist. Dass mit der Formulierung „von über 1 ng/ml“ nicht die Aussage getroffen werden soll, ein Laborwert von 1,0 ng/ml THC – wie er beim Antragsteller ermittelt wurde – genüge nicht, belegen die anschließenden Ausführungen, in denen das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen darauf hinweist, dass ein Fahrerlaubnisinhaber, bei dem THC in der entnommenen Blutprobe in einer Konzentration „von mindestens 1,0 ng/ml“ bei einer Fahrt in einem Kraftfahrzeug festgestellt wird, ein Fahrzeug geführt hat, obwohl er nicht sicher sein konnte, dass in seinem Blut THC nicht mehr in relevantem Umfang vorhanden ist und eine Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit ausgeschlossen war. Die Wiederholung eines solchen, die übrigen Verkehrsteilnehmer gefährdenden Verhaltens sei nach dem auf eine wirksame Gefahrenabwehr zielenden Fahrerlaubnisrecht zu unterbinden (OVG Lüneburg, B. v. 11.09.2008 – 12 ME 227/08, Rn. 6 – juris). Auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg differenziert zwischen THC-Konzentrationen „unter 1 ng/ml“ und „solchen ab 1 ng/ml“ und führt schließlich aus, ein Fahrerlaubnisinhaber, bei dem in einer im Anschluss an eine Autofahrt entnommenen Blutprobe THC jedenfalls in einer Konzentration von „mindestens 1 ng/ml“ festgestellt wird, habe nach bewusstem Konsum von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt, obwohl er, wie gerade das Ergebnis der Blutprobe beweise, nicht habe sicher sein können, dass in seinem Blut die psychoaktiv wirkende Substanz THC nicht mehr in relevantem Umfang vorhanden sei, womit er sich als charakterlich ungeeignet erwiesen habe (VGH Mannheim, U. v. 13.12.2007 – 10 S 1272/07, Rn. 28 – juris). Auch in seinem Beschluss vom 27.3.2006 hatte der Verwaltungsgerichtshof bereits auf eine THC-Konzentration von mindestens 1,0 ng/ml abgestellt und damit diesen Wert für den Nachweis fehlenden Trennungsvermögens genügen lassen. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt wies die Blutprobe Laborwerte von 1,0 THC und 10,0 THC-COOH auf. Bei einer im Anschluss an eine Autofahrt gemessenen „Konzentration von 1,0 ng/ml“ ist danach ein fehlendes Trennungsvermögen belegt, während bei THC-Konzentrationen „unter 1,0 ng/ml“ zu prüfen ist, ob es eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zum Nachweis bestehender Fahreignung bedarf. Nach dieser Rechtsprechung hat der Antragsgegner dem Antragsteller zu Recht die Fahrerlaubnis wegen fehlender Fahreignung entzogen (so auch VG Osnabrück, B. v. 15.02.2011 – 6 B 95/10 – juris).

24 Der hierzu im Widerspruch stehenden Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs kann demgegenüber nicht gefolgt werden.

25 Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass von einer mangelnden Trennung zwischen Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs erst bei einer Überschreitung der THC-Konzentration von 2,0 ng/ml ausgegangen werden kann (vgl. u.a. VGH München, B. v. 25.01.2006 – 11 CS 05.1711, DAR 2006, 407; B. v. 07.01.2009 – 11 CS 08.1545). Diese Rechtsprechung berücksichtigt nach Auffassung der Kammer nicht hinreichend die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse, die insbesondere aus einer Studie der Universität Maastricht gezogen werden können. Im Rahmen dieser Studie mit 20 gelegentlichen Konsumenten von Cannabis wurden erstmals über 6 Stunden hinweg Blut- und Speichelproben analysiert und zeitgleich Tests zur Überprüfung der Feinmotorik, der Impulskontrolle und der kognitiven Leistungen vorgenommen. Die THC-Konzentrationen lagen 6 Stunden nach der Einnahme unter 1 ng/ml. Zumindest die feinmotorischen Leistungen blieben nahezu über den gesamten Zeitraum von 6 Stunden beeinträchtigt (vgl. insoweit M. AWA., Straßenverkehr und Grenzwerte für Drogen aus forensich-toxikologischer Sicht, Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im DAV 2005, Deutscher Anwaltsverlag, S. 109, 117 ff.). Damit scheinen Einschränkungen der fahreignungsrelevanten Eigenschaften bei einer Konzentration ab 1 ng/ml zumindest als möglich. Der hohe Rang der gefährdeten Rechtsgüter anderer Verkehrsteilnehmer macht das mit dieser THC-Konzentration verbundene signifikant erhöhte Risiko einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit nicht hinnehmbar. Zum anderen machen Überlegungen zu einer bestimmten THC-Konzentration im Blut des Fahrzeugführers nur Sinn, wenn der Betreffende in Hinblick auf den Gesichtspunkt des Trennungsvermögens darauf verweisen kann, am öffentlichen Straßenverkehr erst teilgenommen zu haben, nachdem die THC-Konzentration in seinem Blut unter diesen bestimmten Wert gesunken ist. Nach derzeitigem Stand der medizinischen Forschung ist aber in Bezug auf THC eine exakte Rückrechnung vergleichbar der Vorgehensweise bei der Bestimmung der Blutalkoholkonzentration wegen der vielfältigen Wechselwirkungen zwischen dem psychoaktiv wirkenden Stoff THC und seinen Metaboliten nicht möglich. Damit ist dem Betroffenen, dem ohnehin der Wirkstoffgehalt der konsumierten Betäubungsmittelmenge unbekannt ist, die Festlegung des Zeitpunkts, zu dem die THC-Konzentration in seinem Blut einen bestimmten Wert unterschreitet, erst recht nicht möglich. Die unzureichende Bereitschaft, vom Führen eines Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr ungeachtet der im Einzelfall anzunehmenden oder jedenfalls nicht auszuschließenden drogenbedingten Fahruntüchtigkeit abzusehen, ist dem Bereich der charakterlich-sittlichen Mängel zuzuordnen. Ein ausreichendes Trennungsvermögen, das eine gelegentliche Einnahme von Cannabis in Hinblick auf die Verkehrssicherheit hinnehmbar erscheinen lässt, ist nur gegeben, wenn der Konsument Fahren und Konsum in jedem Fall in einer Weise trennt, dass eine Beeinträchtigung seiner verkehrsrelevanten Eigenschaften durch die Einnahme von Cannabis unter keinen Umständen eintreten kann. Ein Fahrerlaubnisinhaber, bei dem in einer im Anschluss an eine Autofahrt entnommene Blutprobe THC jedenfalls in einer Konzentration von einem 1 ng/ml festgestellt wird, hat aber zeitnah nach einem bewussten Konsum von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt, obwohl er, wie gerade das Ergebnis der Blutprobe beweist, nicht sicher sein konnte, dass in seinem Blut die psychoaktiv wirkende Substanz THC nicht mehr in relevantem Umfang vorhanden ist (vgl. VGH Mannheim, B. v. 27.03.2006 – 10 S 2519/05 – juris.)

Das Gericht geht nach diesen Erwägungen davon aus, dass der Antragsteller ein gelegentlicher Konsument von Cannabis ist und zwischen dem Konsum dieses Betäubungsmittels und dem Führen eines Fahrzeugs nicht hinreichend sicher trennen kann. Steht damit aus der Sicht des Antragsgegners fest, dass sich der Antragsteller zum Führen eines Fahrzeugs als ungeeignet erwiesen hat, bedarf es auch nicht mehr der Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung.

27 II.3. Die Verpflichtung der Antragsteller zur Abgabe des Führerscheins folgt aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StvG, § 47 Abs. 1 FeV.

28 II.4. Die Androhung des Zwangsgeldes beruht auf §§ 11, 14, 17 Abs. 1 bis 4 BremVwVG und ist rechtlich nicht zu beanstanden.

29 II.5. Neben der voraussichtlichen Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes besteht vorliegend auch ein besonderes Vollzugsinteresse (vgl. zu dieser Anforderung im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren BVerfG, NVwZ 2007, 1302 (1304); NVwZ 2007, 948 (949)). Von einem Fahrerlaubnisinhaber, der von der Führerscheinbehörde zu Recht als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen wird, weil er gelegentlicher Cannabiskonsument ist und zwischen dem Konsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs nicht trennen kann, können erhebliche Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer ausgehen, die für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens grundsätzlich nicht hinnehmbar erscheinen. Verglichen mit den drohenden Gefahren, die aus der voraussichtlichen Ungeeignetheit eines Fahrerlaubnisinhabers für andere Verkehrsteilnehmer erwachsen, stellt die vorübergehende Einschränkung des Grundrechts des Fahrerlaubnisinhabers aus Art. 2 Abs. 1 GG, auch wenn sie ohne eine dem Hauptsacheverfahren vorbehaltene umfassende Sachverhaltsaufklärung erfolgt, eine hinzunehmende Belastung dar.

30 III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.

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